“Wer wird mit dir, Jerusalem, Mitleid haben, und wer wird dich bedauern? Wer wird kommen, um nach deinem Ergehen zu fragen?” schreibt der Prophet Jeremia über Jerusalem (Jer 15,5). Wer die Stadt besucht, der bekommt einen Eindruck, welche Geschichte, welche Zerstörungen, aber auch welcher Überlebenswille in den Mauern dieser Stadt steckt. Kaum eine Stadt wurde öfter erobert und zerstört, befreit und wiederaufgebaut als Jerusalem. Und in kaum einer Stadt ist die Tragik des Landes so greifbar wie in Jerusalem.
Älteste Siedlungsspuren reichen bis in das 4. Jahrtausend vor Christus zurück, als unbefestigte Siedlung existierte sie im 3. Jahrtausend vor Christus. Im 18. Jahrhundert entstand daraus eine befestigte Stadt. Im 11. Jahrhundert wurde sie von David erobert und ausgebaut. Ebenso wurde unter David die Kultstätte hierher verlegt. Auf diese Weise gelang es David, Königssitz und religiöses Zentrum an einem Ort zu zentralisieren und damit alles unter den Einfluss des Königs zu stellen. Unter Salomo wurde Jerusalem weiter ausgebaut, vor allem durch die Entstehung des Tempelberges, dem heutigen Platz des Felsendomes. Durch den Kultbetrieb des Tempels wurden die religiösen Handlungen in Jerusalem zentriert und so die Bedeutung der Stadt weiter gestärkt. Die Einwohnerzahl nahm mehr und mehr zu, weitere Hügel wurden in die Bebauung einbezogen.
Doch auf den Aufstieg folgte auch schnell der Niedergang: Die Babylonier eroberten 586 v. Chr. die Stadt und zerstörten Palast und Tempel. In der persischen Zeit konnte 515 v. Chr. der zweite Tempel geweiht werden, die Stadt wurde wieder befestigt. Herodes der Große veränderte das Stadtbild durch eine Erweiterung des Tempels.
Die große Katastrophe für Jerusalem war die Zerstörung unter dem römischen Feldherrn Titus. Er führte wohl auch die zentralen jüdischen Heiligtümer, die Bundeslade und den siebenarmigen Leuchter, im Triumphzug mit nach Rom. Auf einem Steinrelief im Titusbogen in Rom finden sich die Bilder dieses Zuges mit den beiden Heiligtümern. Mit dieser Zerstörung hatten die Juden ihren Mittelpunkt verloren, sie zerstreuten sich über die ganze Welt. Nach der Einahme Jerusalems durch die Muslime 638 n. Chr. begann eine neue Epoche, die in den blutigen Kreuzzügen mit ihren Zerstörungen und vielen Toten ein Ende fand. Nach der marmelukischen Zeit folgte eine Blüte unter osmanischer Herrschaft. 1917 eroberten die Engländer Jerusalem, bei ihrem Abzug und dem Unabhängigkeitskrieg der Israelis gelang es diesen nicht, Jerusalem ganz zu erobern, so dass es bis um Sechstagekrieg eine geteilte Stadt blieb. Eine der berühmtesten Filmaufnahmen ist das staunende und ehrfürchtige Gesicht eines israelischen Soldaten, der nach der Eroberung Ostjerusalems auf den Tempel blickt, vor dem er zum ersten Mal stehen kann.
Heute ist Jerusalem geteilt in ein arabisches, ein jüdisches und ein christliches Viertel. Die Stadt ist geprägt von diesen verschiedenen Kulturen, die ein faszinierendes Miteinander bilden und doch auch große Kontraste setzen, die so eine Atmosphäre bilden, deren Anziehung man sich nur schwer entziehen kann.
|